Abiwissen Deutsch: Die Literaturepochen einfach erklärt

Lesedauer: 8 Minuten

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WISSENSWERTES Bei der Interpretation und Analyse von Texten ist kaum etwas so wichtig wie grundlegende Kenntnisse über die Literaturepochen, denn erst mit dem Hintergrundwissen über die Entstehungszeit der Literatur kannst du die meisten Texte tiefgreifend verstehen.

In diesem Artikel werde ich ein Überblickswissen über die abiturrelevanten Literaturepochen geben. Wer mehr wissen möchte – denn es gibt natürlich noch eine ganze Reihe weiterer Epochen – kann dies entweder hier nachlesen oder sich hier in Form eines Videos ansehen.

Literaturepochen

Renaissance (15. – 16. Jh.)

Die Renaissance markiert den Übergang von mittelalterlicher zu neuzeitlicher Literatur. Durch die Erfindung des Buchdrucks im Jahr 1450 durch Johannes Gutenberg konnten sich literarische Werke jetzt schneller über die ganze Welt verbreiten. Gedanken des Humanismus und der Kirchenkritik (Reformation) wurden geäußert. Besondere Bedeutung hatten in der Epik Volksbücher, Abenteuergeschichten und Ritterromane. In der Lyrik waren es Volks- und Kirchenlieder, während in der Dramatik auf antike Formen zurückgegriffen wurde.

  • Till Eulenspiegel – Hermann Bote
  • Das Lob der Torheit – Erasmus von Rotterdam
  • An den christlichen Adel deutscher Nation – Martin Luther
  • Lucretia – Hans Sachs

Barock (1600 – 1750)

Lüftlmalerei, Lüftelmalerei, Zeit, Tod
Vanitas – Von der Vergänglichkeit des Lebens
Quelle: https://cdn.pixabay.com/photo/2016/07/07/10/
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Vor dem Hintergrund des 30-jährigen Krieges, strengen Gottesglaubens, des Absolutismus und eines extremen Gegensatzes zwischen Arm und Reich entstand eine bildhafte, antithetisch (von Gegensätzen) geprägte rhetorische Formkunst. Die Lyrik (v. a. Sonette, Oden, Kirchenlieder), welche die weitaus größte Bedeutung hatte, war zumeist Auftragslyrik und wurde als Gesellschaftskunst verstanden, d. h. persönliche Gefühle spielten eine untergeordnete Rolle. Prägend waren die Motive „memento mori“ (Bedenke, du wirst sterben), „vanitas“ (Vergänglichkeit) und „carpe diem“ (Lebe den Tag). Das Werk „Buch der deutschen Poeterey“ von Martin Opitz setzte neue lyrische Maßstäbe, etwa den Alexandriner in Sonetten. Zur Sprachpflege wurden zahlreiche Sprachgesellschaften gegründet.

  • „Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch“ – H. J. Christoffel v. Grimmelshausen
  • „Carolus Stuardus oder Ermordete Majestät“ (1657) – A. Gryphius
  • „Cherubinischer Wandersmann“ – A. Silesius

Aufklärung (1720 – 1785)

Mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, dem Machtverlust der Kirche und der aufkommenden Idee der Volkssouveränität verbreiteten sich rasch Rationalismus (Erkenntnis durch Verstand) und Empirismus (Erkenntnis durch Beobachtungen). Toleranz, Bildung, Individualismus und Gleichheit wurden gefordert. Mit „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ (I. Kant) wollte man alte Systeme zerbrechen. Die daraus entstandene sachliche Literatur schließt Epik wie Fabeln, Parabeln, Satiren oder Epigramme ein. In der Dramatik entstand das bürgerliche Trauerspiel mit erstmals bürgerlichen Hauptfiguren.

  • Nathan der Weise – G. E. Lessing
  • Emilia Galotti – G. E. Lessing
  • Fabeln und Erzählungen – C. F. Gellert
  • Sterbender Cato – J. C. Gottsched

Sturm und Drang (1765 – 1790)

Diese Epoche entstand als Jugendbewegung gegen die steife Sprache der Rationalität sowie gegen Adel und Zivilisation. Inmitten eines Konflikts zwischen Moralkodex und Leidenschaft forderte man über die Literatur die Befreiung des Individuums und Selbsterfahrung.

Es entstand der Anspruch, anders zu sein (Geniegedanke). Dazu gesellten sich Naturenthusiasmus (Mutter Natur als schöpferisches Prinzip), ein Liebes- und Freundschaftskult, das Freiheitspathos und gefühlsbetonter Patriotismus. Ausdruck wurde dem in der Lyrik mit Balladen und Hymnen, in der Epik mit Briefromanen und mit Dramen in Form von Prosatexten (siehe Fetzentechnik) verliehen.

  • Die Leiden des jungen Werthers – (junger) J. W. v. Goethe
  • Prometheus – (junger) J. W. v. Goethe
  • Faust I – (junger) J. W. v. Goethe
  • Kabale und Liebe – (junger) F. Schiller
  • Der Hofmeister – J. M. R. Lenz

Klassik (1786 – 1832)

File:Goethe Schiller Weimar 3.jpg - Wikimedia Commons
Friedrich Schiller und Johann W. v. Goethe
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/
File:
Goethe_Schiller_Weimar_3.jpg

Mit Goethes Italienreise 1786 begann eine neue Epoche der Rückbesinnung auf die antiken Werte vor dem Hintergrund der Französischen Revolution. Unter dem „Viergestirn“ C. M. Wieland, J. G. Herder, F. Schiller und J. W. v. Goethe entstand die „Weimarer Klassik“, eine Literatur der Vollkommenheit und Harmonie, welche Toleranz, Sittlichkeit, Humanität und Reinheit forderte. Dies äußerte sich in einer kunstvollen, formgetreuen Sprache. Bedeutend waren der Bildungsroman in der Epik, Gedankenlyrik und Balladen in der Lyrik sowie das tektonische Drama in der Dramatik.

Achtung: Die sog. „Weimarer Klassik“ als Teil der „Klassik“ endete mit dem Tod Schillers im Jahr 1805, während die „Klassik“ an sich bis zum Tod Goethes 1832 reicht. 

  • Faust II – J. W. v. Goethe
  • Maria Stuart – F. Schiller
  • Wilhelm Tell – F. Schiller
  • Das Erdbeben von Chili – H. v. Kleist

Romantik (1790 – 1850)

Mit der zunehmenden Industrialisierung wuchs in den Menschen der Wunsch nach einem Rückzug aus dem oft schweren Alltag in die Natur. In einer neuen Universalpoesie (Philosophie, Religion usw. fließen mit ein) strebte man danach, die Grenzen des Verstandes zu überwinden, nach Echtheit, Mystik, Unendlichkeit. Mit Motiven wie Reisen, Mond, Nacht, Liebe, aber auch der dunklen Seele (schwarze Romantik) sollte eine Poetisierung der Welt stattfinden. Bedeutung erlangten die Lyrik (Volkslied, Novellen) und die Epik (Romane, Märchen).

  • Hymnen an die Nacht – Novalis
  • Der goldene Topf – E. T. A. Hoffmann
  • Lucinde – F. Schlegel
  • Mondnacht – J. F. v. Eichendorff

Biedermeier (1815 – 1850) und Vormärz (1830 – 1848)

Auf die Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress 1815 folgten mit dem Wartburgfest 1817, Hambacher Fest 1832 und schließlich der bürgerlichen Revolution 1848/49 turbulente politische Umbrüche mit nationalliberalem Gedankengut. Dies zeigte sich in der Literatur in zweierlei Hinsicht. 

File:Die Barrikade an der Kronen- und Friedrichstraße in Berlin am 18. März 1848.jpg
Die Revolution von 1848/49
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:
Die_Barrikade_an_der_Kronen-_und_
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Biedermeier: Ein Teil der Bevölkerung zog sich ins Kleinbürgerliche, ins Private zurück. In konservativer und unpolitischer Weise wurden Geschichtsdramen, kurze Erzählprosa und Verserzählungen zu den Themen Geschichte, Religion und Natur verfasst, um die „heile Welt“ aufrechtzuerhalten.

  • Der Traum ein Leben – F. Grillparzer
  • Er ist’s – E. Möricke
  • Der Knabe im Moor – A. v. Droste-Hülshoff

Ab 1930 entwickelte sich außerdem das „Junge Deutschland“, eine Strömung, die 1840 vom radikaleren Vormärz abgelöst wurde. Die Literatur wurde nun politisiert. Mit realitätsnahen, kritischen und z. T. zerrissenen Texten rief man zur Revolution auf, um mehr Demokratie und Meinungsfreiheit zu erreichen.

  • Deutschland. Ein Wintermärchen – H. Heine
  • Das Lied der Deutschen – A. H. H. v. Fallersleben
  • Woyzeck – G. Büchner

Realismus (1850 – 1890)

Die Märzrevolution von 1848/49 war gescheitert und die sozialen Unterschiede verstärkten sich. Moralische und wirtschaftliche Werte wurden zunehmend infrage gestellt, Religionskritik und Evolutionstheorie fanden Gehör. In dieser Zeit entstand eine neue Form der objektiven Darstellung (Reproduktion) des Wirklichen. Der bürgerliche Realismus gab die nüchterne Realität eines (bürgerlichen) Menschen in seiner Umwelt unter Einfluss von Zufall und Notwendigkeit wieder – ohne dies zu bewerten. Im poetischen Realismus betrieb man eine Ästhetisierung und poetische Verklärung alltäglicher Begebenheiten. Wichtig waren neben dem bürgerlichen Trauerspiel und Gedichten der Roman und die Novelle (Epik!).

  • Der Schimmelreiter – T. Storm
  • Effi Briest – T. Fontane
  • Kleider machen Leute – G. Keller

Naturalismus (1870 – 1895)

Der Naturalismus war ein Aufstand gegen die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse, gegen die Industrialisierung und den Imperialismus sowie die Doppelmoral des Bürgertums. Es handelte sich um eine detaillierte Beschreibung der Wirklichkeit (Gutes wie Schlechtes), wobei eine gewisse Deckungsgleichheit zwischen Realität und Abbild entstehen sollte. Dabei waren der Sekundenstil, der Wahrheitsbegriff, die Umgangssprache und der Dialekt von Bedeutung. Er zeigte sich vor allem in Prosatexten und im Drama, wobei die Figurenbeschreibung wichtiger als die eigentliche Handlung war.

  • Die Weber – G. Hauptmann
  • Papa Hamlet – A. Holz
  • Meister Oelze – J. Schlaf

Symbolismus (1860 – 1900) und Impressionismus (1890 – 1910)

Die Gegenströmungen zum Naturalismus behandelten Themen wie die Verstädterung, Kapitalismus und Mechanisierung, indem die Wirklichkeit ablehnten. In Romanen, Monologen, Novellen und Dramen wurde das Schöne, Exotisches und Kostbare subjektiv beschrieben. Während der Symbolismus sich einer Traumwelt, dem Weltuntergang und dem Geheimnisvollen in schwülstiger Sprache zuwandt, zeigte der Impressionismus eher momentane Eindrücke und Empfindungen auf.

  • Der Panther – R. M. Rilke
  • Leutnant Gustl – A. Schnitzler

Expressionismus (1910 – 1925)

Archiv C559 Erster Weltkrieg, Grabenkrieg, 1914-1918 | Flickr
Der 1. WK prägte maßgeblich die Literatur des Expressionismus
Quelle: https://www.flickr.com/photos/hans
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Die Eindrücke vom Ersten Weltkrieg und den Anfängen der Weimarer Republik verarbeitete der Expressionismus in Abstraktion, Übertreibung, Farbsymbolen und Ironie. Dem Wunsch nach Veränderung, nach einer neuen Menschlichkeit und nach Orientierung ging man in der Lyrik (!), in Erzählungen und Stationendramen nach. Dabei wurden die Großstadt, Liebe, Wahnsinn, Verfall, Weltuntergang und Krieg thematisiert.

  • Der Steppenwolf – H. Hesse
  • Berlin Alexanderplatz – A. Döblin
  • Der Gott der Stadt – G. Heym

Neue Sachlichkeit (1918 – 1933)

Die Neue Sachlichkeit prägte die Zeit der Weimarer Republik, der Goldenen 20er, aber auch der Wirtschaftskrisen und politischen Instabilität. Es erfolgte eine sachlich-objektive Beschreibung der Wirklichkeit sowie der sozialen/politischen/wirtschaftlichen Situation. In nüchterner, einfacher Sprache reagierte man auf Wertezerfall, Scheinhaftigkeit und technischen Fortschritt, häufig in Form von (kritischen/historischen/Bildungs-) Romanen, Gebrauchslyrik oder epischem bzw. Volkstheater.

  • Fabian – Die Geschichte eines Moralisten – E. Kästner
  • Dreigroschenoper – B. Brecht
  • Angestellte – K. Tucholsky

Innere Emigration und Exilliteratur (1933 – 1945)

Zur Zeit des Nationalsozialismus herrschten Unterdrückung und Verfolgung mit strenger Pressezensur (z. B. Bücherverbrennung 1933).

Diejenigen, welche im 3. Reich blieben (Innere Emigration), bildeten eine politische Opposition mit unterschwelliger Kritik in ihren Werken. Über Stilpluralismus und verdeckte Schreibweise wollten sie sich nicht mit der Propaganda gleichstellen. Es entstanden zeitgeschichtliche Romane, Tarnschriften, Reportagen und das epische Theater (Historisierung) sowie Gedichte.

  • Wolf unter Wölfen – H. Fallada
  • Jakob Littners Aufzeichnungen aus einem Erdloch – W. Koeppen

Autoren im Exil leisteten von dort aus Widerstand und klärten über die Nationalsozialisten auf. Sie schrieben über Heimweh, Zerrissenheit, Sehnsucht und existenzielle Probleme, sahen sich aber auch als Träger einer deutschen Kultur. Es entstanden Romane, Analysen und Parabelstücke (Dramen).

  • Schachnovelle – S. Zweig
  • Mutter Courage und ihre Kinder – B. Brecht
  • Das siebte Kreuz – A. Seghers

Nachkriegsliteratur sowie DDR/BRD – Literatur (1945 – 1990)

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann Deutschland mit dem Wiederaufbau und der Verarbeitung des Erlebten. Erfahrungen, Kritik und die Schuld des Einzelnen wurden in Hörspiele, Kurzgeschichten, Prosaskizzen und Romane gepackt (Trümmerliteratur). 1947 entstand die „Gruppe `47“ (bis 1967), ein loser Zusammenschluss von Autoren und Verlegern, um die deutsche Sprachliteratur zu erneuern.

File:Gruppe 47 - Sechzig Jahre danach 1.jpg
Ehemalige Mitglieder der Gruppe `47 heute
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gruppe_47_-_Sechzig_Jahre_danach_1.jpg
  • Der Zug war pünktlich – H. Böll
  • Das Begräbnis – W. Schnurre
  • Draußen vor der Tür – W. Borchert

Aus den vier Besatzungszonen wurden 1949 zwei deutsche Staaten. Die Literatur der DDR blieb zunächst stark staatsgesteuert („Aufbauliteratur“) und wurde erst später sozial- und politisch kritisch. In der BRD spielten die Kriegsverdrängung und stattliche Kontrolle eine Rolle, ab 1960 erfolgte eine Politisierung zum Dokumentarischen und zur Arbeiterwelt.

  • Der geteilte Himmel – C. Wolf (DDR)
  • Jakob der Lügner – J. Becker (DDR)
  • Tauben im Gras – W. Koeppen (BRD)
  • Die Blechtrommel – G. Grass (BRD)

Dies war ein grober Überblick über die deutschen Literaturepochen bis 1990. Weitere wissenswerte Fakten gibt es hier.

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